Der Landesverband im Ersten Weltkrieg
Auch der Landesverband für christlichen Frauendienst konnte sich wie ein Großteil der Bevölkerung der Begeisterung für den im August 1914 begonnen 1. Weltkrieg nicht verschließen. Geblendet von den Erfolgen im "Blitzkrieg" gegen Frankreich glaubten viele an den schnellen Sieg.
Trotzdem gelang es dem Landesverband in den Kriegsjahren, sich weiter
zu etablieren. 1915 konnte festgestellt werden, dass von den 850 Frauenvereinen
in Sachsen zirka 25 Prozent Mitglied im Landesverband sind und unter dem
Motto "Christus für die Frauen. Frauen für Christus" zusammenwirken.
Neben einem zweiten Ausbildungskursus für Gemeindehelferinnen, der im Oktober
1915 beginnt und ein Jahr später in der Gründung der "Schule für christlichen
Frauendienst in Sachsen" mündet, wendet sich der Landesverband verstärkt
Kursen für die Säuglingspflege und der Betreuung von Müttern und Kindern
zu. Die Mütter haben offenbar zu wenige Kenntnisse, um ihre Kinder gesund
zu ernähren und zu erziehen. Angeprangert werden z. B. Branntwein- und
Zuckerschnuller und eine wachsende Stillmüdigkeit. Das Interesse an den
Kursen ist groß.
Daneben begann im Sommer 1915 die "Sommerpflege". Dabei wurden Kinder aus armen Großstadt-Familien für einige Wochen bei Familien auf dem Land aufgenommen. Im ersten Jahr waren es 57 Kinder, ein Jahr später schon 71 Kinder. Im Mai 1916 erschien in der Tabea eine Anzeige mit der Bitte um Plätze für erholungsbedürftige Kinder und Frauen, die sich auf dem Land bei Privatleuten erholen sollten. Dies ist der erste zaghafte Anfang der Müttergenesung in Sachsen.
Am Anfang des Jahres 1916 sind bereits 276 Vereine dem Landesverband
angeschlossen. Der Krieg bringt erste Probleme mit sich. Die Ausbildung
der Krankenpflegerinnen ist gefährdet, da die Krankenhäuser ihre Kapazitäten
für das Lazarett benötigen und keine Zeit für die nötige Ausbildung vorhanden
ist.
Trotz der ersten negativen Kriegsauswirkungen steht der Landesverband weiter
zur Kriegsführung des Deutschen Kaiserreiches. In der Tabea Nr. 1 vom Januar
1916 wird die Frage nach einer Beteiligung an dem am 1. Oktober 1915 in
Zürich gegründeten internationalen Frauenfriedensbund erörtert und negativ
entschieden:
"Und das ist’s, was wir zu raten haben: Der Friede, den wir alle
wünschen, der Friede, der unser Vaterlands Wohlstand allein gewährleistet,
er wird durch den Sieg der deutschen Waffen errungen. Dass dieser Sieg
komme, dazu können und sollen die Frauen beitragen, in dem sie in allen
Nöten und Entbehrungen standhaft und freudig bleiben, ihren Männern durch
Klagen das Herz nicht schwer machen, vielmehr ihnen durch ihre Feldpostbriefe
immer wieder Mut zusprechen."
Durch den Krieg sind viele Hausfrauen gezwungen, den Lebensunterhalt
für die Familie selbst zu verdienen. Im Jahre 1916 startet deshalb der
Landesverband einen Aufruf zur verstärkten Versorgung und Beaufsichtigung
betroffener Kinder. Frauen sollen als "Tagesmütter" diese Kinder
aufnehmen und betreuen. Zusätzlich richtet der Landesverband ab September
1917 ein Heim für Säuglingspflege in Potschappel ein, das gleichzeitig
auch als Lehrstätte für Säuglingspflege von der Schule des Landesverbandes
genutzt wird.
Auf seiner 11. Jahresversammlung im April 1918 konnte der Landesverband
einen Zuwachs der ihm angeschlossenen Vereine auf 311 feststellen. Die
Geschäftsstelle auf der Kaulbachstraße, stand jetzt zur alleinigen Verfügung.
Einem neuen Aufgabengebiet widmete sich der Landesverband im Oktober
1918 mit der Abhaltung des ersten Lehrganges für Pfarrbräute und Pfarrfrauen
mit 74 Teilnehmerinnen. Der Lehrgang erinnert an die Anfänge des Landesverbandes
mit der Abhaltung der Instruktionskurse für Frauenvereine. Die potentiellen
und bereits verheirateten Pfarrfrauen sollten auf ihr Leben und Wirken
in den Kirchgemeinden vorbereitet werden. So wurde in einem Vortrag über
das Pfarrhaus in Stadt und Land darüber referiert, welche wichtige Aufgabe
zur Lösung sozialer Probleme im Ort der Pfarrfrau zukommt. Auch ganz praktischen
Fragen der Säuglings- und Jugendpflege standen auf dem "Lehrplan".
Der Landesverband gewann in den Kriegsjahren innerhalb der Landeskirche
immer mehr an Profil, vor allem in der kirchlichen Bildungsarbeit. Dies
drückte sich auch darin aus, dass ihm ab dem 1. September 1918 Pf. Reinhard
Dreves als eigener Vereinsgeistlicher zugeordnet wurde. Bis dahin trug
einer der Vereinsgeistlichen des Landesverbandes für Innere Mission die
Verantwortung für den Landesverband mit.
Bettina Westfeld, Historikerin