Neuanfang unter großen Nöten
In der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 wird die Geschäftsstelle in der Kaulbachstraße völlig zerstört. Alle Unterlagen werden vernichtet. Doch Dorothea von Maltzahn hatte vorsorglich eine Liste aller Frauendienstleiterinnen in ihrer Wohnung aufbewahrt. Schon am 26. Februar beginnt sie, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Nach dem Kriegsende im Mai 1945 steht die Frauenarbeit vor neuen Schwierigkeiten. Am 8. August verstirbt Landespfarrer Paul Seyferth an den Folgen seines Wehrmachtseinsatzes. Karl Aè, der Pfarrer Seyferth ab 1942 vertreten hatte, werden die Aufgaben des Landespfarrers mit übertragen. Landesleiterin Marianne Sahrer von Sahr und ihr Mann entziehen sich ihrer Verhaftung durch die sowjetische Besatzungsmacht durch Flucht in die Westzonen. Else Wauer übernimmt kommissarisch die Landesleitung. In all den Nachkriegswirren versuchen die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei der Arbeit so viel Normalität wie möglich aufrecht zu erhalten.
Im Jahre 1945 sind rund 1.200 Frauendienste als Mitglieder registriert,
sogar sieben neue Kreise wurden angemeldet. Sieben Frauen wurden von Mai
bis Oktober 1945 neu für den Reisedienst angestellt. Trotz letzter Kriegskämpfe
und dem Zusammenbruch der Verkehrsverbindungen werden 437 Vorträge in Frauendiensten
und 114 Leiterinnenbesprechungen gehalten.
Doch nicht einmal langsames Aufatmen kann sich einstellen. Am 20. November
1945 wird die Kanzlei der Frauenarbeit polizeilich geschlossen, jegliche
Vereinstätigkeit wird durch die sowjetische Besatzungsmacht verboten, verschiedene
Frauendienstversammlungen werden vorab polizeilich untersagt oder direkt
aufgelöst. Als Reaktion werden sowohl die Frauendienst- und Mütterdienstkreise
der Kirchgemeinden als auch der Landesverband ganz in die Landeskirche
eingegliedert und so vor weiteren Übergriffen geschützt. Der Landesverband
trägt nun den Namen "Landeskirchliches Amt für Kirchliche Frauenarbeit".
Damit ist die Weiterarbeit gesichert, aber ein soziales Engagement außerhalb
der Kirche kann nicht wieder aufgenommen werden.
Die Eingliederung in die Landeskirche hat zur Folge, dass die Struktur
der Frauenarbeit der der Landeskirche angepasst werden muss. Die Frauenarbeit
braucht eine vom Landeskirchenamt bestätigte Ordnung. Der erste Entwurf
für diese Ordnung geht ganz selbstverständlich vom gewohnten Vereinsdenken
mit einer Landesleiterin als Vorsitzenden und einer hohen Eigenständigkeit
der einzelnen Frauendienste in den Kirchgemeinden vor Ort aus.
Dies ist in den landeskirchlichen Strukturen so nicht haltbar. Die neue
landeskirchliche Ordnung stößt auf Protest. Zur Rüstzeit der Bezirksleiterinnen
wurden die Einwände Oberlandeskirchenrat Knospe vorgetragen und von Adelheid
Caspar aus dem Reisedienst noch einmal in schriftlicher Form wiederholt: "Die
Ordnung entmündigt bis dahin selbständige Frauenarbeit
[...]. Es wird als ungerecht empfunden, wenn nun vielerorts
langjährige und treue kirchliche Laienkräfte unter eine auf diesem Gebiet
unbewährte pfarramtliche Vormundschaft gestellt werden."
Die Frauen im Land plagen dagegen ganz andere Sorgen. Es ist ein fortgesetzter
und oft einsamer Existenzkampf um das Überleben, denn die Vielzahl der
Frauen sind Witwen oder ihre Männer sind in Gefangenschaft bzw. vermisst.
Christine Lobeck, die sich im ersten Nachkriegslehrgang des
Amalie-Sieveking-Hauses (ehemals Frauenschule) für den kirchlichen Dienst
umschulen ließ und 1946 bis 1978 Reisedienstmitarbeiterin der Frauenarbeit
war, beschreibt in ihren Erinnerungen die Arbeit von damals:
"Die Frauenkreise der Gemeinden hatten im Kriege eine besondere Bedeutung gehabt: als Zusammenschluss der in Haus und Hof alleingelassenen Frauen und als die Gruppe, die die um ihre gefallenen Männer und Söhne Trauernden auffing. [...] Wie aber trafen wir die Frauen an? Im Allgemeinen war es so: Dicht gedrängt saßen sie in den Gemeindestuben – die Umsiedlerfrauen zwischen den Eingesessenen. Oft brachten gerade die Flüchtlingsfrauen Kirchentreue als Substanz mit. Auch Katholikinnen kamen dazu. Bei der Suche nach neuer Heimat kamen die Umsiedlerinnen mit Erwartungen einer alle verbindenden Kirche. Aber für alle galt: Welches Frauenschicksal war denn nicht gezeichnet durch den Krieg?! Auch in geistig-kulturellem Hunger werden manche zur Kirche gekommen sein in dieser Zeit von Leere und Kälte; noch gab es kaum etwas anderes. Aber die Kirche war 'noch' da, und sie war 'schon wieder' da."
Schon im Jahre 1946 fanden wieder erste Rüstzeiten (Seminare) vorwiegend für Frauendienst- und Mütterdienstleiterinnen statt. Ab dem Jahre 1947 waren es schon 22 Rüstzeiten und Freizeiten z.B. für Flüchtlinge, Berufstätige, Bäuerinnen und Einsame, die nur durch Geld- und Lebensmittelspenden durchgeführt werden konnten.
Im Jahr 1947 wurde ein eigener "Frauensonntag" durchgeführt, der auf hohe Resonanz traf. Dieser wurde weitergeführt und hat bis heute Bestand im Rogate-Frauentreffen.
Bettina Dörfel, ehem. Landesleiterin der Kirchlichen Frauenarbeit (2004-2016)